Bewusster handeln, besser leben.
12-07-21
Wie können Lebensqualität und soziale Teilhabe in einem Wohnviertel verbessert und gleichzeitig der Ressourcenverbrauch und die Wirkungen auf die Umwelt verringert werden? Diesen Fragen widmet sich das Forschungsprojekt „Suffizienpraktiken in Stadtquartieren“, kurz SuPraStadt.
In drei Reallaboren analysieren Wissenschaftler:innen, wie sich die Bedürfnisse von Bewohner:innen in den Handlungsfeldern Mobilität, Konsum und Ernährung mit den ökologischen Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang bringen lassen. Einer der bundesweit drei Standorte: Kelsterbach.
2014 wurde die hessische Kommune mit dem Quartier „Auf der Mainhöhe“ in das Städtebauförderprogramm Sozialer Zusammenhalt aufgenommen. Gemeinsam mit zentralen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Bevölkerung und Wissenschaft wurden seitdem zahlreiche Projekte angestoßen und initiiert. Im Förderrahmen „Zukunftsstadt“ bewarben sich mit diesem Konzept die Stadt Kelsterbach, die ProjektStadt | Integrierte Stadtentwicklung und das ISOE (Institut für sozial-ökologische Forschung) sowie Forschungs- und Praxispartner aus Dortmund und Heidelberg unter Leitung des ifeu als Kooperationspartner 2019 erfolgreich beim Bundesforschungsministerium. Im Reallabor in Kelsterbach wird nun eingehend untersucht, wie sich Suffizienzpraktiken im Stadtquartier verbreiten und welche sozialen Milieus sich daran beteiligen. Vor allem Mitmachaktionen stehen dabei im Fokus: Alternative Verkehrsmittel testen, saisonal und regional einkaufen und kochen oder Gebrauchsgegenstände reparieren anstatt sie voreilig zu entsorgen – Interessierte können so im Alltag neue Möglichkeiten ausprobieren, die nachhaltige Verhaltensweisen auf Dauer fördern.
Alle Aktivitäten werden vom Fachbereich Integrierte Stadtentwicklung der ProjektStadt geplant, vorbereitet, koordiniert und durchgeführt. Inhaltlich und empirisch begleitet wird das Projekt vom ISOE. „Unser Ziel ist es, die Bewohnerinnen und Bewohner für einen geringeren Rohstoff- und Energieverbrauch zu sensibilisieren und ihnen einfache Schritte und Wege für einen verantwortungsbewussteren Umgang aufzuzeigen“, erläutert Marion Schmitz-Stadtfeld, Leiterin Integrierte Stadtentwicklung der ProjektStadt. „Mit der SuPraStadt werden unsere Ideen und Vorhaben, die wir gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern im Quartier entwickelt haben, nun auch wissenschaftlich begleitet und dokumentiert“, ergänzt Projektleiter Nicolas Traut. „Mit dem Institut für sozial-ökologische Forschung haben wir hierfür einen versierten Partner an unserer Seite.“
Projekt-Beispiel: Fahrrad statt Fernreise
Im Sommer letzten Jahres waren die Möglichkeiten zu verreisen durch die Corona-Pandemie begrenzt. Viele Menschen mussten – oder wollten – ihren Urlaub absagen. Darauf haben die Stadt Kelsterbach, die ProjektStadt und das ISOE reagiert. Im Handlungsfeld Nahmobilität stellten sie verschiedene Angebote rund ums Radfahren auf die Beine, organisierten Fahrrad-Werkstätten und -Touren. „Trotz des derzeit geschlossenen Bürgertreffs soll es attraktive Angebote für Daheimgebliebene geben“, erklärte Bürgermeister Manfred Ockel damals. „Das Förderprogramm und das Forschungsprojekt boten sich hierfür geradezu an.“ So stand in den ersten Ferienwochen ein mobiler Werkstattbus im Quartier. Bewohner:innen konnten dort ihre Drahtesel reparieren lassen. „Besonders Kinder haben von der Aktion profitiert, da ihre Fahrräder kostenfrei auf Vordermann gebracht wurden“, resümiert Traut. Mehr als 40 Bikes wurden in kürzester Zeit wieder fit für den Straßenverkehr gemacht. Diese kamen dann auch gleich bei den angebotenen Fahrrad-Ausflügen zum Einsatz.
Kelsterbach und Umgebung neu erleben
Unter Leitung des ehrenamtlichen Radverkehrsbeauftragten der Stadt Kelsterbach, Roland Rücker, erkundeten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an mehreren Nachmittagen ihr Wohnumfeld. Sie lernten dabei neue Wegstrecken kennen und erhielten praktische Tipps zum sicheren Radeln. Auch Manfred Ockel ließ es sich nicht nehmen, an einer der Rundfahrten teilzunehmen. „Unser Ziel ist es, passende Rahmenbedingungen und verstärkte Anreize für ein nachhaltigeres Mobilitätsverhalten in ganz Kelsterbach zu schaffen“, so der Bürgermeister.
Mit von der Partie war auch Dr. Jutta Deffner vom Institut für sozial-ökologische Forschung, die auf langlebige Effekte für die Nachhaltigkeit hofft: „Durch die praktischen Erfahrungen im Straßenverkehr können sich die Teilnehmer künftig sicherer fühlen und öfter das Fahrrad benutzen.“ Weiter führt sie aus: „In unserem Projekt liegt uns viel daran, von der Bewohnerschaft mehr über das Quartier zu erfahren – auch über Defizite des Zusammenlebens sowie Wünsche für eine verbesserte Lebensqualität.“ Positive Rückmeldungen ließen nicht lange auf sich warten. Ein gutes Beispiel: Die Mutter, die mit ihrer Familie bereits zum zweiten Mal an den Rundfahrten teilnahm. Sie brachte es auf den Punkt: „Bei der letzten Tour haben wir viele neue Wege kennengelernt. Den Kindern hat es großen Spaß gemacht, also sind wir jetzt wieder dabei.“ Solche Aussagen sind wichtig und belegen die Begeisterung, die entscheidend ist für den Erfolg des Projekts. Denn eines ist allen Beteiligten klar: Selbst die besten Strategien, Konzepte und kreativen Ideen greifen nur, wenn sie von den Bewohner:innen auch angenommen und gelebt werden.
Mehr Events in Planung
Weitere Aktivitäten in Bezug auf Konsum und Ernährung, die Corona-bedingt ausfallen mussten, werden sobald als möglich nachgeholt. Geplant sind beispielsweise Führungen auf dem Wertstoffhof, Recycling- und Bastelkurse für Kinder sowie die Zusammenarbeit mit einem örtlichen Repair Café. Auch Online-Angebote kommen zum Einsatz – unter anderem sind ein digitales Kochbuch und virtuelle Kochkurse in Vorbereitung. Ratespiele zu den einzelnen Handlungsfeldern komplettieren das Angebot.
Win-win-Situation
Von den bisherigen Maßnahmen im Quartier beeindruckt zeigte sich auch Landtagsabgeordnete Kerstin Geis, die Kelsterbach letztes Jahr besuchte. Bei einem Spaziergang mit Manfred Ockel sowie Vertreter:innen der ProjektStadt und des ISOE durch das Quartier informierte sie sich sowohl über das Förderprogramm als auch über das Forschungsprojekt. „Was mir hier heute gezeigt und berichtet wurde, steht genau im Fokus meiner Sommertour: Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Projekte wie dieses sind für die Gestaltung einer suffizienten Zukunft unabdingbar“, so ihr Fazit. Dass vom Reallabor aber nicht nur die Bewohner:innen profitieren, macht Stadtplanerin Schmitz-Stadtfeld klar: „Die Zusammenarbeit mit dem Institut für sozial-ökologische Forschung und Partnern aus ganz Deutschland sorgt für frischen Wind, der für eine erfolgreiche Quartiersentwicklung, aber auch immer für unsere eigene Weiterentwicklung, notwendig ist.“
Das Forschungsprojekt SuPraStadt läuft noch bis April 2022. Bis dahin wird noch eine Vielzahl spannender Mitmachaktionen und Projekte geplant und umgesetzt. Sie tragen letztlich dazu bei, die eigene Nachbarschaft besser kennenzulernen und Kontakte auch über die Quartiersgrenzen hinweg aufzubauen und zu pflegen.
Suffizienz und nachhaltige Entwicklung
Suffizienzstrategien gelten als zentraler Baustein für eine nachhaltige Entwicklung. Steht bei der ökologischen Effizienz ein möglichst günstiges Verhältnis von Nutzen und aufgewendeten ökologischen Ressourcen im Vordergrund, zielt Suffizienz auf andere Themen ab: den sparsamen Umgang mit Ressourcen und eine Verringerung von Umweltbelastungen. Erreicht wird dies durch eine qualitative Veränderung von ressourcenintensiven Konsumpraktiken. Dabei analysiert die Suffizienzforschung individuelle, gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen, die einem maßvollen Ressourcenverbrauch im Wege stehen. Sie zeigt zudem, wie diese Hemmnisse überwunden werden können.
Theoretischer Ansatzpunkt im Forschungsprojekt SuPraStadt sind Suffizienzpraktiken. Suffizienz steht für die Gestaltung von Verhältnismäßigkeit in den gesellschaftlichen Beziehungen zur Umwelt sowie zum gesellschaftlichen Umfeld. Methodisch wird mit Reallaboren gearbeitet, die es erlauben, Maßnahmen gemeinschaftlich umzusetzen und gleichzeitig ihre Wirkung zu evaluieren. Bislang fehlt eine ausreichend empirisch fundierte Grundlage, um die ökologischen und sozialen Wirkungen zu ermitteln und zu bewerten. Das gilt auch für die soziale Diffusion von Suffizienzpraktiken in Kommunen. Durch das Schließen dieser Lücke soll das Forschungsprojekt SuPraStadt einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten.
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Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) mit Sitz in Frankfurt am Main und Kassel bietet seit knapp 100 Jahren umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Wohnen, Bauen und Entwickeln. Sie beschäftigt rund 800 Mitarbeitende. Mit rund 59.000 Mietwohnungen in 130 Städten und Gemeinden in Hessen gehört sie zu den zehn führenden deutschen Wohnungsunternehmen. Das Regionalcenter Wiesbaden bewirtschaftet rund 11.600 Wohnungen, darunter rund 5.800 Wohnungen direkt in Wiesbaden, und hat mit dem Servicecenter in Darmstadt eine Außenstelle. Unter der NHW-Marke ProjektStadt werden Kompetenzfelder gebündelt, um nachhaltige Stadtentwicklungsaufgaben durchzuführen. Die NHW arbeitet daran, ihren Wohnungsbestand perspektivisch auf 75.000 Wohnungen zu erhöhen und bis 2050 klimaneutral zu entwickeln. Um dem Klimaschutz in der Wohnungswirtschaft mehr Schlagkraft zu verleihen, hat sie gemeinsam mit Partnern das Kommunikations- und Umsetzungsnetzwerk „Initiative Wohnen 2050“ gegründet. Mit hubitation verfügt die Unternehmensgruppe zudem über ein Startup- und Ideennetzwerk rund um innovatives Wohnen. www.naheimst.de
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